Ist es falsch, sich auf einer mittelalterlichen Ruine zu erleichtern?
Das war mein Dilemma, als ich, im Schneidersitz und verzweifelt, auf den weitgehend vergessenen Wansdyke starrte, einen Erdwall, die seit rund 1.500 Jahren durch Englands West Country verläuft
Auf der einen Seite fühlte sich das Pinkeln hier wie eine Schändung an. Andererseits war es sehr verlockend: Dieser tiefe Graben schien zweckmäßig gegraben, abgeschirmt von den Passanten, geschützt vor Brisen, weich mit langem Gras und Wiesenkerbel.
Ich beschloss, es zu tun. Als ich einen nesselfreien Ort fand, war ich bereit, mich der Natur auszusetzen. Zu diesem Zeitpunkt flog ein Schwarm von Gleitschirmen über mich hinweg. Verteidigungslinie durchbrochen! Weder ich noch die mittelalterlichen Architekten hatten an Angriffe von oben gedacht.
Das war der zweite Tag meines dreitägigen Mikroabenteuers entlang des Great Stones Way in Wiltshire, und solche unerwarteten und historischen Begegnungen waren für diese Wanderung schon selbstverständlich geworden. An fast jedem Punkt dieser Route kannst Du in sächsische Gräben stürzen, über bronzezeitliche Hügel fallen, neolithische Menhire finden oder über viktorianische weiße Pferde laufen. Eine Menge Zeitreise für ein langes Wochenende: drei Tage, 85 km, 6.000 Jahre.
Der Great Stones Way beginnt in der Nähe von Swindon und führt nach Süden nach Salisbury. Swindon ist nicht der ruhmreichste aller Ausgangspunkte, aber mein Freund und ich entkamen bald in eine Landschaft, die von Hügeln und landwirtschaftlichen Furchen durchzogen war, der Lärm der M4 wurde durch den Ruf der Bussarde ersetzt.
Barbary Castle ist der erste historische Hit. Es ist nicht sehr "Caslte"-mäßig, aber diese eisenzeitlichen Stadtmauern auf den Marlborough Downs boten einen weitreichenden Ausblick und wiesn uns Zeitreisenden den Weg.
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Dann wurde es seltsam. Wir waren überrascht, als eine bunt gemischte Gruppe von Wanderern in einem Feld verschwand - und folgten ihnen. Als sie anfingen, inmitten des zertrampelten Weizens zu singen, beschlossen wir zu gehen. In diesem Teil von Wiltshire tauchen immer wieder Kornkreise auf (wegen sogenannter Ley-Linien, Aliens oder Vandalen mit Stöcken - wer weiß?). Kornkreise tendieren auch dazu, alle möglichen Menschen anzulocken. Wir entschieden uns stattdessen für ein viktorianisches "Graffiti" und aßen unser Picknick neben dem Hackpen Hill White Horse, das 1838 anlässlich der Krönung der neuen Königin angelegt wurde.
Der Nachmittag führte uns durch Felder und Wildblumen, bauchige Hügel und einen einfachen Spaziergang entlang des Ridgeway, dem ältesten Pfad Großbritanniens. Schließlich erreichten wir Avebury, wo der größte Steinkreis des Landes - vor 4.500 Jahren errichtet - heute direkt durch das hübsche Dorf führt. Die Umarmung der Sarsen-Steine wird hier positiv empfohlen; wir streichelten sie kurz, tranken unsern Nachmittagstee in Avebury's Tudor Villa, und dann ging es weiter durch diese alte Landschaft.
Wir passierten den unnatürlichen Buckel des Silbury Hill - mit 30 m Höhe der größte künstliche Hügel Europas. Und wir tauchten in die dunklen Kammern des West Kennet Long Barrow ein, dem Hügel-Grabhügel, der nochmal 1.000 Jahre älter ist als der Steinkreis von Avebury. Als wir weiterzogen, sprangen zwei Hippie-Typen mit einem wellenförmigen Umhang vorbei und sangen sanft zur Brise.
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Dies war ein Mikroabenteuer - mit wenigen, aber kilometerschweren Tagen - und wir hatten uns für leichtes Gepäck entschieden, um das Wandern angenehmer zu gestalten. Nach einer Nacht in einem schönen B&B packten wir unsere winzigen Rucksäcke um, steckten geräucherten Lachs und Rühreier ein und machten uns erfrischt auf den Weg zum zweiten Tag.
Da es keine großen, offensichtlichen Steinkreise gibt, ist der Teil des Wiltshire Way zwischen Avebury und Stonehenge vergleichsweise schlecht dokumentiert und wenig besucht. Wir sahen niemanden, als wir durch diese Landschaft gingen - niemanden, das heißt: bis diese Gleitschirme meinen Toilettenstopp unterbrachen.
Wir sahen jedoch mehr neolithische Grabhügel, ein weiteres weißes Pferd, das Naturschutzgebiet Pewsey Downs in Rosa-Violett mit Wildblumen, zwei mittelalterliche Kirchen, einen georgianischen Kanal und einem Pub mit angeschlossenem Kornkreis. Ganz zu schweigen von einem Spaziergang durch das am wenigsten bekannten "Superhenge" des Landes (obwohl es heute nur noch wenige Überreste von Marden Henge gibt) und der Umrandung der Salisbury Plain, auf der das Militär übte. Wir konnten noch immer schwaches kriegsähnliches Gerumpel hören, als wir ins Avon-Tal hinunter wanderten; dort erwartete uns ein Glas mit irgendetwas Kühlbarem und ein Pub mit Zimmern.
Der dritte Tag brach trüb an, aber ein Frühstück, das Wodka und Tomatensaft für die Zubereitung des eigenen Bloody Mary's enthielt, hob die gedämpfte Stimmung. Wir zogen am Fluss entlang und kamen bald zu den Durrington Walls. Man nimmt ann, dass um 2500 v. Chr. ca. 4.000 Menschen in dieser ummauerten Anlage gelebt haben könnten. Heute wird Durrington von einer Hauptverkehrsstraße durchschnitten; mit ein wenig Phantasie kann man sich jedoch ein Dorf vorstellen, das kurzzeitig eines der größten Dörfer in Nordeuropa gewesen sein könnte.
Auf den 3 km von hier nach Stonehenge versuchten wir uns in die Lage eines neolithischen Mannes zu versetzen, dessen Sandalen wahrscheinlich hier entlang schluften: Man glaubt, dass die Baumeister von Stonehenge während der Arbeit an der Baustelle in Durrington gelebt haben.
Wir waren ganz allein, als Stonehenge wie kleine Legosteine in der Ferne auftauchte. Wir folgten dem Weg an den Old King Barrows vorbei, sieben bronzezeitlichen Grabhügeln, die sich in einem kleinen Wäldchen verstecken, bevor wir die "Avenue" hinaufwanderten. Dieser alte, heute kaum noch wahrnehmbare Prozessionsweg verbindet den Fluss Avon mit Stonehenge; sie könnte bei den Sonnenwenden benutzt worden sein, als sich unsere Vorfahren zu unbekannten Zwecken im Kreis tummelten.
Auf diesem kaum noch wahrnehmbaren Pfad, der ins Tal hinunter führte, verschwanden die Steine kurzzeitig aus dem Blickfeld und tauchten erst wieder auf, als wir näher kamen. Es war wie eine große Offenbarung - ein neolithisches "Ta-Daa!". Die Architekten hatten vor 4.500 Jahre offensichtlich einen Sinn für Dramatik.
Innerhalb des Zauns drängten sich die Stonehenge-Besucher. Also überließen wir es den Touristen und setzten unseren fröhlichen Weg fort, über Grabhügel und Vogelschutzgebiete, einem Seehaus aus dem 16. Jahrhundert (im Besitz von Sting) und einen Biergarten am Fluss, in dem wir gerne den ganzen Nachmittag verbracht hätten.
Schließlich tauchte Old Sarum in Sichtweite auf. Dieser mächtige Hügel, einst mit einer Festung aus der Eisenzeit, einer römischen Siedlung und einer normannischen Burg bedeckt, ist die offizielle Endstation des Great Stones Way und liegt wie ein dicker Punkt zwischen den Feldern. Er war riesig, sah uneinnehmbar aus. Wir gingen zu den mächtigen Stadtmauern hinauf und wanderten zwischen dem alten normannischen Schloss und den Fundamenten der Kathedrale hindurch. Die Aussicht erstreckte sich immer weiter; am Ende unseres Abenteuers konnten wir hier kilometerweit sehen - und Jahrtausende lang zurück.
Wichtige Informationen | |
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Saison | Am besten im Frühjahr und Sommer, wenn das Wetter am wärmsten ist und Felder und Blumen in voller Blüte stehen. Höchststand der Kornkreise Juli-August. |
Art der Wanderung | Leicht: sanft hügelig; wenige signifikante Anstiege; meist breite, ebene Wege. Um die Strecke jedoch in drei Tagen zu schaffen, ist ein angemessenes Maß an Fitness erforderlich - Du legst 30 km pro Tag zurück. |
Übernachtungsmöglichkeiten |
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Durchschnittliche Kosten |
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Anreise |
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Bilder: 1: Claudio Accheti/Flickr; 2: Nick/Flickr; 3: Neil Setchfield/Alamy; 4: caeccles/Adobe; 5, 6, 8: Neil Howard/Flickr; 7: Gillie Rhodes/Flickr; 9: Charles D P Miller/Flickr
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