Eine Reise in die Antarktis entspricht so ungefähr dem, wie nah man als Mensch jemals einen anderen Planeten kommen kann. Das raue, raue Klima, ohne irgendeine Garantie dafür, was der nächste Tag bringen wird, die bittere Kälte und vor allem die Abwesenheit von Menschen sind wahrscheinlich genau das, was Reiselustige an diesem sehr unberührten Teil der Welt anzieht und gleichzeitig abweist.
Ausgetretene Pfade können innerhalb weniger Stunden praktisch unzugänglich werden.
Wahrscheinlich erwartest Du, dass Du einer bestimmten Reiseroute entlang den Pfaden folgen kannst, die andere vor Dir in diesem Teil der Welt angelegt haben. Abhängig von den Meeresströmungen, die die Überquerung der Drake Passage anspruchsvoll (um es milde auszudrücken) machen können, den Windgeschwindigkeiten und der Temperatur können gut ausgetretene Pfade jedoch innerhalb weniger Stunden praktisch unzugänglich werden. Bei einer Reise in die Antarktis musst Du Risiken eingehen und bereit dafür sein, dass eine komplette Änderung des Plans nicht das Ende Deines Abenteuers bedeutet.
Zum Glück habe ich mir, abgesehen von einem Blick auf meine Reiseroute zum Zeitpunkt der Buchung, diese nicht noch einmal angeschaut und war offen für alles, wohin uns die Expedition bringen könnte. In diesem Sinne machten wir uns auf halber Strecke auf den Weg durch den Lemaire Channel. Der Lemaire Channel – zwischen der Halbinsel Kiew im Graham Land und der Booth Island auf dem Festland – wird als Kodak Gap" bezeichnet und ist nur 11 km lang und an seiner engsten Stelle 1.600 m breit.
Auf unserem Weg durch den Kanal befanden wir uns inmitten hoher, schieferfarbener Klippen mit Flecken von Schne und Frost auf ihren Gipfeln.
Es war März und das Eis war so weit geschmolzen, dass unser Schiff durchkommen konnte. Aber es mangelt nicht an Geschichten über Schiffe, die sich auf den Weg zur Mündung des Kanals gemacht haben, nur um umzudrehen, nachdem sie festgestellt haben, dass das Eis nicht ausreichend geschmolzen war. Der Tag war klar und hell, die Sonne brannte fast. An Deck war es kalt und als wir durch den Kanal fuhren, waren wir von hohen, schieferfarbenen Klippen mit Flecken von Schne und Frost auf ihren umgeben. Wo die kalte Luft auf das Wasser traf, hatte sich am Fuße der Klippen ein Nebel gebildet, der auf dem Weg nach oben dichter wurde.
Die Klippen, die wie Berge aufragten, nahmen eine Art magischen Farbton an.
Von Deck aus beobachtete ich ehrfurchtsvoll die Landschaft. Die Klippen, die wie Berge aufragten, nahmen eine Art magischen Farbton an. Das Wort Narnia kam mir in den Sinn. Je weiter wir den Kanal entlang gingen, desto mehr sahen wir Eisberge in allen Formen und Größen, die wie Kristalle auf dem Wasser glitzerten. Der Nebel war bis dahin dem klaren Himmel gewichen, blau, weitläufig, ohne Wolken.
Das Expeditionsschiff ankerte, um uns die Möglichkeit zu geben, in Zodiac-Speedbooten auf dem unerwartet ruhigen Wasser zu kreuzen. Der Lemaire Channel führte sehr ruhiges Wasser, wo die kleinste Wellenbildung deutlich zu hören war, die das ansonsten makellose Spiegelbild der Klippen und Gletscher im Wasser verwischte. Wir fuhren mit den Schnellbooten um die zahlreichen Eisberge herum und hielten gelegentlich an, um die brillanten Bilder von Eis und Felsen zu bewundern, als wären wir in einer Kunstgalerie, umgeben von Skulpturen. Aber natürlich ist das Kunst, die nicht durch die Hand des Menschen, sondern durch die Hand der Mutter Natur geformt wird. Das ist das Geschenk der Schönheit, das entsteht, wenn die Welt sich selbst überlassen wird.
Ich glaube nicht, dass ich jemals so viele Blautöne gesehen habe wie zu meiner Zeit in der Antarktis.
Während unserer Kreuzfahrt trafen wir auf einen Eisberg, der über der Wasseroberfläche die Größe unseres Schiffes hatte, er war hoch und breit und glitzerte stolz in der Mitte des ruhigen Wassers. Als wir näher kamen, sahen wir die Eisschichten, die sich im Laufe der Zeit gebildet hatten und die nun komprimiert waren und eine schillernde Folge von Blautönen zu enthüllen.
Ich glaube nicht, dass ich jemals so viele Blautöne gesehen habe wie zu meiner Zeit in der Antarktis. Und inmitten dieser eisblauen Höhle befand sich eine Gruppe von Robben, die sich in der Sonne räkelten, im umgebenden Wasser spielten, ihre Köpfe hoben, neugierig auf die Menschen, die sie jetzt beobachteten. Aber keiner von uns hatte irgendwelche Zweifel daran, wem diese Welt gehörte. Diese Welt von unberührter Schönheit, von Felsen und Eis und Wasser und Frost. Diese Welt gehörte ihnen. Sie gehören ganz und gar ihnen. Und dafür war ich dankbar.
Manish Chauhan ist Schriftsteller und Reiseliebhaber und lebt und arbeitet in London.